Shai Maestro Trio: Presse
Jazzzeitung
22. Oktober 2015
Shai Maestro bei
„Jazz im Goethe Museum“
Dietrich Schlegel
Wieder zierte der originelle Schattenriss des Saxophon spielenden
Goethe die Einladungen zum fünften Konzert der Reihe „Jazz im Goethe Museum
Düsseldorf“ im barocken Jagdschloss Jägerhof. Und wieder war es der Initiatorin
und künstlerischen Leiterin, der Kulturjournalistin Barbara Steingießer,
gelungen, mit dem Shai Maestro Trio zum dritten Mal eines der derzeit
gefragtesten Klaviertrios zu verpflichten.
Nicht dass das letzte Museumskonzert mit den „Echoes of Swing“ beim Publikum
keinen Anklang gefunden hätte, im Gegenteil, Saxophon und Trompete boten
eine willkommene Abwechslung. Doch dem intimen Ambiente des relativ kleinen
Konzertsaals mit den Vitrinen voller erlesenen Porzellans an den Wänden
entspricht die kammermusikalische Besetzung eines Klaviertrios am besten.
Die Reihe hatte vor zwei Jahren mit dem Trio des israelischen Pianisten
Omer Klein vielversprechend begonnen. Triosense und Tingvall Trio folgten.
Nun war es mit Shai Maestro wieder ein israelischer Pianist, den Barbara
Steingießer zu einem Gastspiel verpflichten konnte.
Maestro war bereits mit 19 Jahren von dem Bassisten Avishai Cohen entdeckt
und in sein Trio geholt worden war. Fünf Jahre lang, von 2006 bis 2011,
tourte er mit seinem berühmten Landsmann durch die Welt, lernte unzählige
Musiker kennen und sog vielerlei Einflüsse auf, auch aus ganz anderen
Musikkulturen.
Diese Jahre intensiver Praxis ersetzten ihm ein Studium in Berklee, auf
das Maestro trotz eines angebotenen Stipendiums bewusst verzichtet hatte.
2010 fühlte er sich reif genug, sein eigenes Trio zu gründen, mit zwei
wie er in Brooklyn/ NY lebenden Kollegen, dem peruanischen Bassisten Jorge
Roeder und dem ebenfalls in Israel gebürtigen Schlagzeuger Ziv Ravitz.
Diese bis heute bestehende Besetzung präsentierte sich auch im Goethe-Museum,
und das in blendender, die Zuhörer im vollbesetzten Saal begeisternder
Form.
Gespielt wurden – außer einigen neuen Stücken – Kompositionen von Maestro,
wie sie auf dem aktuellen und dem zweiten von insgesamt drei Alben zu
hören sind, aber ganz sicher ziemlich anders, denn Maestro legt viel Wert
auf Improvisation.
Sein Jazzvirus, der ihn im Alter von acht Jahren angesteckt hatte, war
Oscar Petersons „Gershwin Songbook“, auf dem sich zwei völlig unterschiedliche
Tracks von „Summertime“ fanden. Das faszinierte ihn derart, dass er parallel
zum klassischen Klavierunterricht auch Stunden für Jazzpiano nahm.
Seine und seiner Mitmusiker Hingabe an die Kunst der Improvisation ging
so weit, dass sie – wie Maestro augenzwinkernd versicherte – nie vorher
wüssten, was sie als nächstes spielen würden, sich erst kurz davor darüber
verständigten, durch leise Zurufe, Gesten und Blicke: „We let you know
afterwards.“
Was sie dann spielten war von großer Vielfalt, melodisch, harmonisch,
rhythmisch. Maestro verfügt sowohl über einen hauchzarten als auch, wenn
dramaturgisch erforderlich, kräftigen, aber nie hammermäßigen Anschlag.
Das Steinway Boston Piano dankte ihm diese meisterliche Technik mit all
seinem Wohlklang.
In langsamen und leisen Passagen wirkte Maestro kontemplativ, manchmal
fast verträumt, verspielt, etwa bei den Introduktionen, aber auch über
weite Strecken solcher Stücke wie „Painting, „Endless Winter“ oder „Looking
Back (Quiet Reflections“). Seltsamer- oder bezeichnenderweise gemahnten
Titel wie „Invisible Thread“, „Treelogy“ oder „Elusive“, die stellenweise
mit hoher Energie und in rasenden Läufen vorgetragen wurden, nur selten
an die im modernen Jazz gebräuchlichen Kategorien des Höher, Weiter, Schneller.
Nichts wirkt aufgesetzt, vordergründig virtuos. Die Philosophie der Band,
widergespiegelt im dramaturgischen Aufbau und Ablauf der Stücke selbst
als auch des Konzerts und der CDs, lautet: „Music can contain everything:
the beauty of our beeing but also our ‚ugly‘ side.“ In dieses Konzept
passen sich Maestros Kollegen haarfein ein. Auch für sie trifft zu, was
von modernen Klaviertrios im Jazz verlangt wird: sie sind mehr als nur
Sidemen, wie das einst für Schlagzeuger und Bassist weitgehend zutraf.
Vielmehr sind sie integraler Bestandteil eines bis auf jede Achtel-
oder Sechzehntelnote abgestimmten Zusammenspiels, das vom Trio nun schon
seit fünf Jahren tagtäglich ausgeübt wird. Und doch bewahren Jorge Roeder
und Ziv Ravitz ihre Eigenständigkeit, die nicht nur der Rolle ihres Instruments
entspricht, sondern ebenso ihrer Musikerpersönlichkeit.
Roeder begann seine Ausbildung auf dem Cello, studierte dann Kontrabass
in St. Petersburg und Boston und wirkte einige Zeit beim Philharmonic
and Opera Orchestra seiner Heimatstadt Lima mit. Nach seinem Wechsel zum
Jazz spielte u. a. mit Roy Haynes, Alex Acuna, Maria Schneider. Er erfüllt
seine Aufgabe als Mittler zwischen Piano und Schlagzeug derart einfühlsam
und präzise, dass er vom Pianisten nicht nur Blicke zur Verständigung,
sondern – so glaubt man zu ahnen – auch des Dankes empfängt. Darüber hinaus
spielt er atemberaubende Soli, so z. B. gleich im ersten Stück „Maya’s
Song“ der neuen CD „Untold Stories“.
Ziv Ravitz, in Deutschland bekannt auch als Mitglied von Florian Webers
Trio „Minsarah“, graduierte an der berühmten Berklee School of Music bemerkenswerter
Weise mit einem Degree in Jazz Composition. So ist er auch mit einer Komposition
auf der zweiten CD „The Road To Ithaca“ vertreten und beteiligt an „Maya’s
Song“. Mit seinem kompositorischen Know how und Feeling ergänzt er Maestros
Improvisationen als dynamisch treibender, aber zuweilen auch melodischer
Gegenpol.
Das Shai Maestro Trio wird am 15. November bei den Leverkusener Jazztagen
zu hören sein, dort, wo er acht Jahre zuvor als Neunzehnjähriger in Avishai
Cohens Trio so großes Aufsehen erregt hatte (sein Entdecker und Förderer
tritt zwei Tage vor ihm auf). In dem 2000 Zuhörer fassenden Terrassensaal
des Leverkusener Forums werden Maestro, Roeder und Ravitz eine völlig
andere Atmosphäre vorfinden als in der Intimität des Düsseldorfer Goethe
Museums, die sie sichtlich genossen haben. [...]
CD-Tipps: Shai Maestro Trio "Untold Stories", 2015
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